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Jella Riesterer zum Thema Transformation

Gesellschaftliche Transformation braucht mehr als gute Ideen 

27. März 2024

Das Social Innovation Lab versteht sich im Prozess der gesellschaftlichen Transformation als Intermediär zwischen sozialen Startups und etablierten Akteuren. Doch selbst die innovativsten Ideen und Kollaborationen dieser Akteure reichen allein nicht aus. Stattdessen braucht es gemeinsame Missionen und ein sektorenübergreifendes Vorgehen.  

Eine eigentlich triviale Erkenntnis der Transformationsforschung ist, dass es für die gesellschaftlichen Herausforderungen im 21. Jahrhundert (von sozialer Gleichheit über Klimawandel bis zu gerechtem Wohlstand, würdigem Altern, Gesundheit usw.) keine einfachen Lösungen gibt. Es gibt nicht einmal komplizierte Lösungen, denn gesellschaftliche Entwicklungen sind komplex und nicht in einfachen oder komplizierten Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen vorhersehbar oder planbar.

Es ist wohl einleuchtend, dass nicht ein einzelner Akteur und auch kein Verbund von mehreren Akteuren so groß werden kann, dass er mit seiner Lösung (z.B. ein inklusiv geführtes Café) eine gesellschaftliche Herausforderung (Inklusion von Menschen mit Behinderung in den 1. Arbeitsmarkt) löst. Stattdessen müssen sich bei komplexen Herausforderungen gleich ganze Systeme und die darin gelebten Werte und Handlungsweisen transformieren. Mit Transformation meinen wir eine proaktiv gestaltende Veränderung dieser Systeme. Sie hat zum Ziel gesellschaftliche Herausforderungen besser zu beantworten als existierende Herangehensweisen. Nur wie geht das? Die Antwort darauf ist – natürlich – komplex und vor allem an vielen Stellen noch ein großes Rätsel. Aber es gibt vielversprechende Ansätze.   

Gesellschaftliche (Förder-) Praktiken bedienen das disruptive Narrativ 

Wir wissen also, was nicht funktioniert und kaum ein (nicht-populistischer) gesellschaftlicher Akteur wird zu einfachen Lösungen aufrufen. Nur: Die (Förder-) Praktiken, mit denen wir aktuell auf gesellschaftliche Herausforderungen reagieren, bedienen in großen Teilen doch das falsche Narrativ der innovativ-disruptiven Lösungen: Wir erwarten das nächste große Ding, die bahnbrechende Kollaboration und hoffen damit auf einzelne Menschen und Institutionen mit der erlösenden Lösung für unsere Probleme. Förderpraktiken bei Stiftungen und öffentlichen Mitteln bevorzugen überwiegend soziale Einhörner (oder Einhorn-Verbünde) – es werden die gesucht und gefördert, die glaubhaft erklären, dass sie es ganz anders, ganz neu, also disruptiv, machen. Damit werden Kreativität und das Erfinden neuer Projekte sowie Schnelligkeit beim Aufstellen letztlich disruptiver Ansätze belohnt. Obwohl glasklar ist, dass diese Ansätze bei komplexen Herausforderungen die falschen sind.  

Auch wir arbeiten auf eine bessere Zukunft hin… 

Auch mit unserer Arbeit im Social Innovation Lab suchen wir nach Antworten für gesellschaftliche Herausforderungen. Wir sind überzeugt, dass Menschen die gesellschaftlichen Zusammenhänge, in denen sie handeln, gestalten können. Unsere Rolle ist es, Mut zu machen und zu zeigen, dass und wie man in dem konkreten Umfeld, in dem man eingebunden ist, etwas verändern kann (ob ehrenamtlich mit einer neuen Idee für das eigene Quartier, als Mitglied in einem Verein oder in einer professionellen Rolle in einem Pflegeheim, einer Kommune oder einem Ministerium).  

Konkret entwickeln soziale Gründer*innen mit unserer Begleitung tragfähige Angebote für benachteiligte Zielgruppen – von Sportangeboten über Sprachkurse mit Kinderbetreuung bis zu neuen Formen der Beteiligung oder des Wohnens. Ministerien, Wohlfahrtsorganisationen und Unternehmen begleiten wir dabei, ihre Arbeiten innovativer (z.B. hierarchieärmer) und ihr Angebot zielgruppenorientierter (z.B. individuell wählbar oder barriereärmer) zu gestalten.  

… allerdings systemisch verankert 

Wir arbeiten mit sozialen Gründer*innen und mit Akteuren in etablierten Strukturen. Damit folgen wir den Erkenntnissen des System Change-Ansatzes und der Multilevel Perspective, die besagt: Es braucht sowohl neue Initiativen (z.B. soziale Gründer*innen), die frei von einschränkenden Systemlogiken neue Ansätze für gesellschaftliche Probleme entwickeln. Es braucht aber auch etablierte Akteure (z.B. Ministerien, Kommunen, Unternehmen, Politik), die windows of opportunity öffnen, um die Neuerungen in das bestehende System einfließen zu lassen.  

Transformation braucht neue Ansätze 

In den letzten 5 Jahren haben wir diese Übergänge und Neuerungen von Systemen immer an ähnlichen Barrieren scheitern sehen: Zum einen an der nachhaltigen Finanzierung im Kontext starrer Regelungen (das neue Angebot findet sich in Leistungskatalogen nicht wieder, verändern lassen sich diese nur politisch und deshalb mit langem Atem). Und zum anderen an Zuständigkeits-Pingpong zwischen verschiedenen Akteuren (Gesundheits- versus Bildungsministerium, soziale Organisationen versus Politik usw.). Das heißt: Für die Komplexität gesellschaftlicher Herausforderungen reichen weder disruptive Innovationen noch die innovativsten Kollaborationen zwischen neuen Initiativen und etablierten Akteuren. Warum? Weil sie die Komplexität der Herausforderungen nicht abbilden können und damit letzten Endes auch nur eine verkleidete Hoffnung auf Disruption sind.  

Wir folgen mit unserer Arbeit deshalb mittlerweile den Ansätzen von Akteuren wie der Entwicklungsabteilung der UN, deren täglich Brot die großen gesellschaftlichen Herausforderungen sind. Diese arbeiten mit Portfolio-Ansätzen (nach Markowitz, 1959, durch die UN zum Beispiel hier beschrieben) und missions-orientierter Innovation. Ein eindrückliches Beispiel zur Transformation von Schul-Essen und Straßenbildern wurde für Schweden dokumentiert. Portfolios bringen verschiedene Ebenen, Sektoren und Verbindungen zwischen Akteuren als Aktivitäten mit einer geteilten Mission in Gang.

Dadurch können sie Zuständigkeits-Pingpong vermeiden und unterschiedlichste Finanzierungsquellen erschließen. Sie setzen damit auf fundierte Beharrlichkeit, optimistische Langatmigkeit und gemeinsame, sektorenübergreifende Missionen. Mit einer gemeinsamen Mission eine bessere Zukunft gestalten und Ansätze finden, die letztlich die Demokratie stärken und unsere Gesellschaft resilienter machen, das dürfte doch Motivation genug sein. Mehr zu unseren konkreten Erfahrungen mit diesen Ansätzen im nächsten Artikel. 

Autorin Jella Riesterer ist geschäftsführende Vorständin des Social Innovation Labs. Das Lab sucht Partner*innen, die experimentierfreudig sind und Interesse haben, die Wirksamkeit von Portfolios mit zu kuratieren und besser zu verstehen.