Alles neu macht die Krise
18. Dezember 2024Krisen, sie begleiten und prägen die Gesellschaft seit jeher. Manche kennt man nur beim Namen, andere haben eine direkte Auswirkung auf das persönliche Leben. Auch die Arbeit im Social Innovation Lab wird seit einigen Jahren immer wieder von den großen Krisen unserer Zeit begleitet: Coronakrise, Klimakrise, Wirtschaftskrise. Unsere DNA ist es, andere Menschen, Organisationen und Projekte mit innovativem Know-how bei solchen Herausforderungen zu unterstützen. Jetzt sind wir selbst gefordert, neue Lösungen für unsere aktuellen Schwierigkeiten zu finden…
Die genannten Krisen hatten bisher keinen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Social Innovation Lab. Im Gegenteil! Seit der Gründung im Jahr 2018 war die Zeit geprägt von Erfolgen und Wachstum: Wir haben Anträge bewilligt bekommen und Fördergelder erhalten, dank derer wir unsere Angebote für soziale Macher*innen ausbauen konnten und das SIL-Team gewachsen ist (innerhalb von fünf Jahren von anfangs zwei auf zuletzt 12 Kolleg*innen).
Wir haben allen äußerlichen Krisen getrotzt und eine wunderbare Wachstumsphase durchlebt. Aber Wachstum ist nicht endlos und bei uns vor allem kein Selbstzweck, da es am Ende immer der Ausweitung unserer Wirkung dient. Wenn wir einem typischen Startup-Erfolgszyklus folgen würden, käme jetzt die so genannte „Reifephase“: Ein weniger schnelles Wachstum, dafür eine Stabilisierung am Markt. Aber das Social Innovation Lab ist kein typisches Startup. Wir verkaufen kein Produkt, sondern sind mit unseren Programmen und Beratungsangeboten Anlaufstelle, Impuls- und Starthilfegeberin sowie wichtige Schubkraft für sozial-innovative Macher*innen und ihre Ideen.
Mit diesen innovativen Ideen wollen wir keinen Markt erobern, sondern die Gesellschaft verbessern. Wir möchten mit unserer Arbeit mehr Teilhabe, mehr Gemeinschaft, mehr Zusammenhalt und damit mehr Gesellschafts-Resilienz für alle aktuellen und uns noch bevorstehenden Krisen schaffen.
Unsere größten Herausforderungen bisher: die kurzfristige Planbarkeit unserer Arbeit, da viele Fördergelder nur projektbezogen, über einen kurzen Zeitraum, zur Verfügung stehen. Eine weitere Challenge ist es, uns und unsere Arbeit nach außen verständlich und greifbar zu machen. Doch ganz nach dem Motto „practise what you preach“ haben wir dafür stets nach neuen Lösungen gesucht, haben höhere Finanzierungs-Anträge gestellt, um uns besser abzusichern, haben neue Formate entwickelt, mit denen wir uns gut für die Zukunft aufstellen und wir haben an unserer Außendarstellung gearbeitet, um ein größeres Verständnis für uns und unser Schaffen zu erreichen.
Und plötzlich kriselt‘s
2024 hat uns die Krise doch erwischt. Große Anträge wurden nicht bewilligt und die zur Verfügung stehenden Gelder immer knapper. Ein Grund dafür: Die gesellschaftlichen Veränderungen, die zu Verschiebungen von Geldern führen (Kriege, Inflation, Rechtsruck, Corona-Folgen), haben Auswirkungen auf die Finanzierungsmöglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Wie viele andere in unserem Sektor sind wir Mit-Leidende auf dem Markt für öffentliche Fördermittel, Lotterie- und Stiftungsgelder.
Weil die öffentlichen Mittel also knapper werden, bewerben sich mehr Akteure öffentliche Ausschreibungen und um Förderungen bei Stiftungen. Ergebnis: Die Nachfrage ist deutlich höher als das Angebot. Von befreundeten Stiftungen und Lotterien wissen wir, dass die Zahl der Fördermittelanträge im Jahr 2023 und 2024 um ein Vielfaches gestiegen ist, sich teilweise verdreifacht hat.
Krise bedeutet Veränderung
Zuletzt stand das Social Innovation Lab daher vor großen finanziellen Schwierigkeiten, auf die wir erstmals schwerwiegend reagieren mussten. Krise bedeutet eben auch Abschied von Gewohntem.
Mit Corinna Kämpfe und Vivien Riener haben uns Ende November zwei SIL-Urgesteine verlassen. Beide haben vor knapp sechs Jahren als Praktikantinnen bei uns angefangen und seither eine wunderbare Entwicklungsreise durchlebt und das Social Innovation Lab maßgeblich mitgestaltet und geprägt. Die beiden haben die Situation genutzt, um nach neuen Herausforderungen zu suchen. Sowohl Corinna als auch Vivien haben daher den Entschluss gefasst, sich neuen Aufgaben zu stellen, um die persönliche Weiterentwicklung voranzutreiben.
Mit Anna-Lena Zehendner mussten wir zuletzt die erste betriebsbedingte Kündigung in unserer SIL-Geschichte aussprechen. Ihre Stelle als Marketing- und Kommunikationsmanagerin konnte durch Fördermittelausfälle nicht mehr weiter finanziert werden. Dieser Abschied tut weh und wir merken: Krise nervt! Krise zehrt! Krise macht machtlos!
Und gleichzeitig bleiben wir lösungsorientiert. Für unser Ökosystem, welches uns braucht, sind und bleiben wir eine verlässliche und kompetente Anlaufstelle. Wir sehen daher inmitten der Schwierigkeiten auch die Möglichkeit, die uns diese betriebliche Krise bietet: Wir müssen uns neu sortieren, uns neuen Fragen stellen und uns neue Ziele setzen.
Das ist der Blick nach innen, der, wie wir gemerkt haben, in Krisen immer kritischer ausfällt als im Wachstums- oder Normalbetrieb. In der Krise fällt auf, was alles nicht gut läuft, wo Schwächen sind, wo Fehler passiert sind, was wir in den letzten Jahren verpasst haben, worauf wir keine Priorität gelegt haben.
Mit neuem Kurs in neues Fahrwasser
Dieser kritische Innenblick ist gut. Er macht wieder handlungsfähig. Und trotzdem ist dieser Prozess furchtbar anstrengend und alles andere als bequem. Aber: Wir sind jetzt zum Jahresende sicher, dass das Social Innovation Lab im kommenden Jahr gestärkt aus seiner aktuellen Situation kommen wird.
Wir sind zwar als Team erstmals geschrumpft, gleichzeitig heben wir die Organisation in ihrer Weiterentwicklung gerade auf eine neue Stufe. Wir bündeln unsere Kräfte und Kompetenzen, gehen mit neuen Ideen an den Start und nehmen mit tollen Partner*innen an unserer Seite neuen Kurs auf. Wie hat es Aristoteles so schön gesagt: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
Unser größter Dank gilt diesen tollen und treuen Partner*innen an unserer Seite: der Heidehof Stiftung, der Freiburger Wirtschaft Tourismus und Messe GmbH, der Prediger Stiftung, der Deutschen Postcode Lotterie, der EWS, Jobrad, der Volksbank Freiburg sowie unserer Organisations-Schwester, der Grünhof GmbH. Danke, dass ihr uns Mut gemacht habt, Finanzierungen flexibler ausgezahlt oder gar aufgestockt habt. Danke, dass ihr an uns glaubt – auch und vor allem in Krisenzeiten.
Gemeinsam sind wir Changemaker – für eine bessere und sozialere Gesellschaft von morgen.